ANNULLIERUNG

Annullierung oder Ehenichtigkeitsverfahren:

Da meine Haupttätigkeit als Anwalt in der Mitwirkung bei Ehenichtigkeitsverfahren besteht, möchte ich Sie hier kurz darüber informieren, was die katholische Kirche unter einer Ehe versteht, was ein Ehenichtigkeitsverfahren ist und worum es in einem Ehenichtigkeitsverfahren gehen kann.

Um das ganze Verfahren verstehen zu können, ist es wichtig, zu wissen, was die katholische Kirche unter einer Ehe versteht.

Im Codex Iuris Canonici (CIC), dem Gesetzbuch der römisch-katholischen Kirche wir die Ehe mit folgenden Bestimmungen umschrieben:

„Der Ehebund, durch den Mann und Frau unter sich die Gemeinschaft des ganzen Lebens begründen, welche durch ihre natürliche Eigenschaft auf das Wohl der Ehegatten und auf die Zeugung und die Erziehung von Nachkommenschaft hingeordnet ist, wurde zwischen Getauften von Christus dem Herrn zur Würde eines Sakramentes erhoben“ (c. 1055 § 1 CIC). „Deshalb kann es zwischen Getauften keinen gültigen Ehevertrag geben, ohne dass er zugleich Sakrament ist“ (c. 1055 § 2 CIC).

In dieser Gesetzesdefinition der Ehe, auf die das ganze kirchliche Eherecht aufbaut, sind verschiedene Aussagen enthalten:

  1. Die Ehe ist eine Gemeinschaft von Mann und Frau. Gleichgeschlechtliche Verbindungen, auch wenn sie auf Lebenszeit eingegangen werden, sind demnach keine Ehen. Die Formulierung des CIC ist in einem Punkt noch unklar, der dann in der Formulierung des Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium (CCEO), dem Gesetzbuch der orientalischen katholischen Kirchen ergänzt wurde: Die Ehe ist eine Gemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau.
  2. Die Ehe begründet die Gemeinschaft des ganzen Lebens, das heißt, es können keine Bereiche ausgeklammert werden, die sich die Ehepartner gegenseitig vorenthalten. Die Ehe ist ein unwiderruflicher Bund, in dem sich Mann und Frau gegenseitig schenken und annehmen (c. 1057 § 2 CIC).
  3. Die Ehe ist in gleicher Weise auf das Wohl der Ehepartner und auf die Zeugung und Erziehung von Nachkommenschaft hingeordnet.
  4. Die Ehe von Getauften ist ein Sakrament, das Christus eingesetzt hat. Die Ehe von Getauften ist also nicht nur in der Schöpfungsordnung verankert, sondern auch in das Erlösungswerk Christi mit einbezogen.

Die Wesenseigenschaften der Ehe sind Einheit (Einpaarigkeit) und Unauflöslichkeit, die in der christlichen Ehe wegen ihrer Sakramentalität ein besonderes Gewicht haben (c. 1056 CIC).

Die katholische Kirche erhebt nicht mehr den Anspruch, dass ihr Eherecht für die Ehen aller Getauften gilt. Nach c. 1059 CIC ist das kanonische Eherecht nur noch für Ehen zuständig, in denen wenigstens ein Partner Katholik ist und dieser nicht „durch einen formalen Akt“ („actus formalis“) von der katholischen Kirche abgefallen ist (c. 1117 CIC). Exakt müsste man sogar sagen, dass der CIC nur Geltung für die Katholiken des lateinischen Ritus beansprucht, da für die Katholiken der katholischen orientalischen Kirchen die meist wortgleichen Bestimmungen des CCEO gelten. Dabei darf jedoch nicht übersehen werden, dass die katholische Kirche selbstverständlich davon ausgeht, dass alle Bestimmungen über die Ehe, die sich aus dem Naturrecht oder dem Offenbarungsrecht ergeben, für die Ehen aller Menschen bzw. aller Getauften gelten. Insofern sieht sich die katholische Kirche auch befugt, über die Gültigkeit von Ehe zu urteilen, die von Nichtkatholiken geschlossen wurden.

Da Ehe und Familie in der katholischen Kirche einen hohen Stellenwert haben, genießt die Ehe einen besonderen Rechtsschutz. Die Ehe, so heißt es in c. 1060 CIC, erfreut sich der Rechtsgunst, das heißt, in Zweifelsfällen wird solange die Gültigkeit der Ehe vermutet, bis das Gegenteil bewiesen wird.

Für die katholische Kirche ist die gültig geschlossene und geschlechtlich vollzogene Ehe von getauften Partnern unauflöslich (vgl. c. 1141 CIC). Diese Aussage impliziert dass die Ehe – kirchenrechtlich gesehen – gültig geschlossen worden. Hier setzt das Ehenichtigkeitsverfahren an.

Wird geltend gemacht, dass eine Ehe nicht gültig geschlossen wurde, kann ein Ehenichtigkeitsverfahren, das auch Anulierung genannt wird, durchgeführt. Dieses Verfahren findet vor einem der zuständigen kirchlichen Gerichte nach den Bestimmungen des kirchlichen Prozessrechtes statt (vgl. dazu cc. 1671-1691 CIC). Geprüft wird, ob bei der Eheschließung nach dem Verständnis der katholischen Kirche eine gültige Ehe zu Stande gekommen ist. Es findet keine Gerichtsverhandlung im übliche Sinne statt, bei der die Parteien und Zeugen vor dem Gericht zusammen kommen. Das Verfahren wird nach den Vorschriften des kirchlichen Prozessrechts schriftlich geführt. Als Anwalt stehe ich Ihnen als Berater für ein solches Verfahren zur Verfügung. Ich kläre mit Ihnen vor Beginn des Verfahrens, ob bzw. welcher Klagegrund in Ihrem Fall geltend gemacht und bewiesen werden kann und vertrete Sie während des Verfahrens vor dem kirchlichen Gericht.

Falls Sie keinen Anwalt beiziehen wollen, können Sie sich auch an ein beliebiges kirchliches Gericht in Deutschland wenden, unabhängig von der Frage, ob dieses Gericht für die Durchführung Ihres Ehenichtigkeitsverfahrens zuständig wäre oder nicht. Dort besteht für jeden Interessierten die Möglichkeit, sich in einem Beratungsgespräch darüber zu informieren, ob in seinem Fall eine Ehenichtigkeitsverfahren durchgeführt werden kann und was er dabei beachten muss.

Die Nichtigkeit einer Ehe steht dann fest, wenn zwei verschiedene kirchliche Gerichte in derselben Ehesache zu dem gleich lautenden Ergebnis der Ehenichtigkeit gekommen sind. Die Eheleute, deren Ehe für ungültig erklärt worden ist, haben das Recht zu einer neuen kirchlichen Eheschließung (c. 1684 § 1 CIC). Bei diesem Ehenichtigkeitsverfahren handelt es sich um ein Verfahren vor dem zuständigen kirchlichen Gericht.

Da der gültige Ehekonsens beider Partner für das Zustandekommen einer Ehe eine zentrale Rolle spielt (vgl. c. 1057 CIC), steht bei der Frage nach der Gültigkeit einer Ehe natürlich der Ehewille und die Ehefähigkeit der Ehepartner zum Zeitpunkt ihrer Eheschließung auf dem Prüfstand.

Das Bejahen der Unauflöslichkeit der Ehe, der Treue und der Hinordnung der Ehe auf Nachkommenschaft sind unabdingbare Voraussetzungen für eine gültige Eheschließung, bei einer Ehe zwischen Getauften gilt dies auch für den sakramentalen Charakter der Ehe. Eine Ehe ist deshalb nichtig, wenn einer der beiden Ehepartner oder beide zum Zeitpunkt der Eheschließung für diese Ehe die Unauflöslichkeit, die eheliche Treue, die Hinordnung auf Nachkommenschaft oder eben den sakramentalen Charakter der Ehe ausschließen, d. h. für ihre Ehe nicht wollen. (Willensmangel)

Für einen gültigen Ehekonsens sind gewisse Voraussetzungen erforderlich (vgl. dazu cc. 1095-1107 CIC), wie zum Beispiel ein Mindestwissen über die Ehe; die Freiheit und Offenheit beim Eheabschluss; ein ausreichendes Urteilsvermögen hinsichtlich der ehelichen Rechte und Pflichten sowie die psychische Fähigkeit, die wesentlichen Verpflichtungen der Ehe übernehmen zu können. (Konsenhindernis)

Liegt bei der Heirat ein trennendes Ehehindernis vor (z. B. eine Vorehe bei einem der Partner; vgl. zu den trennenden Ehehindernissen cc. 1083-1094 CIC), dann kann die Ungültigkeit der Ehe unter Umständen auch durch einen so genannten Dokumentenprozess (vgl. cc. 1686-1688 CIC) festgestellt werden.

Schließlich kann eine Ehe auch nichtig sein, weil trotz der nach außen erfolgten kirchlichen Eheschließung die zur Gültigkeit einer Eheschließung geforderten Formvorschriften nicht eingehalten waren ohne dass Dispens von der Eheschließungsform erteilt war. Dies kann der Fall sein, wenn ein Priester oder Diakon die Trauung vorgenommen hat, der keine Vollmacht zur Erfragung und Entgegennahme des Ehekonses hatte oder nicht mindestens zwei Zeugen anwesend waren. Immer wieder kommt es bei konfessionsverschiedenen Ehen vor, dass der katholische Amtsträger nicht den Ehewillen beider Partner erfragt und entgegen nimmt und den evangelischen Amtsträger bei der Erfragung des Ehewillens „mitwirken“ lässt. Bei solchen Formfehlern kann unter bestimmten Umständen ein Dokumentenprozess geführt werden, der nach besonderen Regeln abläuft (cc. 1686-1688 CIC).

Die Auflösung einer nicht vollzogenen Ehe

Eine gültige (auch sakramentale) Ehe, die nach der kirchlichen Heirat nicht geschlechtlich vollzogen worden ist, kann nach einem eigens dafür vorgesehenen Verfahren (vgl. dazu cc. 1697-1706 CIC) vom Papst aufgelöst werden (c. 1142 CIC). Der Nichtvollzug der Ehe muss glaubhaft gemacht werden und im Gegensatz zum Gerichtsverfahren gibt es hier keinen Rechtsanspruch. Auch wenn eine Ehe nach den Normen des Rechts als nicht vollzogen gilt, kann der Papst die Auflösung verweigern. Da es sich bei diesem Verfahren nicht um ein Gerichtsverfahren handelt, kann ich Sie bei der Durchführung eines solchen Verfahrens zwar beraten, nicht aber als Anwalt für Sie tätig werden.

Die Auflösung einer nicht sakramentalen Ehe

Das Verfahren zur Auflösung einer nichtsakramentalen Ehe durch den Papst kraft des Glaubensprivilegs (Verfahren in favorem fidei), ist möglich, wenn ein Ehepartner ungetauft ist. Auch dieses Verfahren ist ein Gnadenverfahren, in dem es keinen Rechtsanspruch auf Auflösung gibt. Wie beim Nichtvollzugsverfahren ist die Mitwirkung eines Anwaltes in einem solchen Privilegverfahren nicht vorgesehen.

Einen Sonderfall stellt die Auflösung einer Ehe gemäß dem so genannten Paulinischen Privileg dar (vgl. 1 Kor 7,12-16; cc. 1143-1150 CIC). Die allgemeinen Voraussetzungen dafür sind, dass beide Partner bei Eheabschluss ungetauft waren, ein Ehepartner sich taufen lässt und ein weiteres eheliches Zusammenleben unmöglich ist. In diesem Fall wird die erste Ehe durch die erneute Heirat des getauften Partners gelöst. Der kirchlichen Autorität kommt hier lediglich die Aufgabe zu, die Voraussetzungen zu prüfen, eine eigentliche Erlaubnis zur neuen Eheschließung braucht es nicht.

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